Die DGSP fordert die Aufnahme allerGeflüchteten aus Kriegsgebieten, ohne Unterscheidung nach Herkunft, Hautfarbe oder Religion.
Wir verurteilen den Angriffskrieg Russlands aufs Schärfste und stehen an der Seite der ukrainischen Bevölkerung und aller Menschen, die durch die eskalierende Gewalt körperliche und seelische Verletzungen erleiden. Die psychischen Folgen für die Menschen sind kaum abzusehen - für diejenigen, die direkt von den Vorgängen betroffen sind, für ihre Angehörigen in anderen Ländern, aber auch für diejenigen politisch Engagierten, die in
Russland nun vermehrt staatlichen Repressionen ausgesetzt sind. Darüber hinaus werden die Fluchtbewegungen aus unterschiedlichen Kriegs- und Krisenregionen längerfristig zu einem erhöhten Versorgungsbedarf für traumatisierte Geflüchtete in Deutschland führen, für den sich das hiesige psychosoziale Hilfesystem erst noch wappnen muss.
Der Fachausschuss Migration der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie begrüßt in diesem Zusammenhang ausdrücklich alle Hilfen, die den geflüchteten Menschen aus der Ukraine gewährt werden. Hierzu gehören eine vorübergehende Bleibeperspektive, Erleichterung bzw. Förderung der Arbeitsaufnahme und der Anerkennung von Abschlüssen, Hilfen bei der Wohnraumbeschaffung usw. Ab Juni 2022 sollen Geflüchtete aus der Ukraine außerdem in das reguläre Sozialhilfesystem (SGB II und SGB XII) eingegliedert werden und erhalten Zugang zu weiteren Leistungen wie Kindergeld und BAföG. Sozialhilferechtlich werden sie damit den im Asylverfahren anerkannten Geflüchteten gleichgestellt. Obwohl weiterhin bürokratische Hürden abgebaut werden und ehrenamtliche Initiativen verstärkte staatliche Unterstützung erhalten müssen, tragen diese Maßnahmen erheblich zur äußeren Sicherheit bei und damit maßgeblich zur Prävention von Traumafolgestörungen. Deshalb befürworten wir diese ausdrücklich.
Viele Geflüchtete bleiben nach wie vor den diskriminierenden Regelungen des AsylbLG unterworfen
Darüber hinaus ist für den Fachausschuss Migration jedoch nicht nachvollziehbar, warum die Bestimmungen für ukrainische Geflüchtete nicht auch bei anderen in Deutschland lebenden Gruppen Anwendung finden. Nämlich bei denjenigen, die sich im laufenden Asylverfahren befinden, Geduldete aus anderen Ländern, die nach wie vor den diskriminierenden Regelungen des AsylbLG unterworfen bleiben.
Auch wenn der Ukraine-Krieg die flächendeckenden Zerstörungen und die Massaker an der Zivilbevölkerung in anderen Reg ionen (z.B. Aleppo) kurzfristig wieder ins Bewusstsein gerückt hat, unterliegen die nach Deutschland geflüchteten Menschen aus Staaten wie Syrien, Jemen, Afghanistan, Irak usw. weiterhin den Bestimmungen einer restriktiven Asylgesetzgebung. Diese Ungleichbehandlung ist vor dem Hintergrund der erfahrenen Leiden nicht zu rechtfertigen und ihr gehört die Grundlage entzogen. Zumal nach den Erfahrungen der in der Flüchtlingsarbeit tätigen Mitgliedern des Fachausschusses Migration der DGSP die Unterscheidung in Bezug auf Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, Wohnen, freie Bewegungsmöglichkeiten usw. selbst großes Konfliktpotenzial birgt. Beispielsweise sind Fälle bekannt, in denen bereits in Deutschland lebende Geflüchtete ihre Unterkünfte für ukrainische Geflüchtete räumen mussten. Das trägt zu neuerlicher Unsicherheit, Retraumatisierung und in der Folge zu gesellschaf tlichem Unfrieden bei. Statt jedoch zu sp alten, sollten die erleichterten Zugangsregelungen für ukrainische Geflüchtete vorbildlich auch im Umgang mit anderen Gruppen von Menschen auf der Flucht sein. Diese Entwicklung ist schon lange überfällig.
Neuregelungen, die sich an den Bestimmungen für ukrainische Geflüchtete orientieren
Darum fordern wir die Abschaffung des restriktiven Asylbewerberleistungsgesetzes zugunsten von Neuregelungen, die sich an den Bestimmungen für ukrainische Geflüchtete orientieren. Allen Geflüchteten, unabhängig von ihrer Herkunft, muss ein Anspruch auf Grundsicherung und der direkte Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt werden. Damit schließen wir uns der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi an, die kürzlich eine »grundsätzliche
Kehrtwende« in der deutschen Migrationspolitik forderte. »Mir ist nicht wirklich erklärlich, warum wir dieses System der Unterscheidung zwischen Grundsicherung und Asylbewerberleistungen immer noch aufrechterhalten.« (ARD, 22.5.22)
Zudem weisen wir mit Nachdruck darauf hin, dass die Gleichbehandlung von Menschen bereits an den europäischen Außengrenzen gesichert werden muss. Die Hilfsbereitschaft gegenüber Ukrainerinnen und Ukrainern darf den Blick nicht verstellen auf die brutale polizeimilitärische Zurückweisungspraxis von Menschen aus nichteuropäischen Ländern, sei es im Mittelmeer oder auch an der Grenze von Polen zu Belarus, wo immer noch Dutzende von Geflüchteten unter Lebensgefahr in den Wäldern ausharren. Weiterhin wird hier ein unterschiedliches Maß angelegt, das offenbar von Hautfarbe bzw. Herkunft beeinflusst ist. Vor allem Roma werden diskriminiert.
Die DGSP fordert - in Übereinstimmung mit vielen anderen in der Arbeit mit Geflüchteten engagierten Initiativen - die Aufnahme ALLER Geflüchteten aus Kriegsgebieten, ohne Unterscheidung nach Herkunft, Hautfarbe oder Religion. Es darf keinen Unterschied in der Behandlung, keine Mehr-Klassen-Flüchtlingspolitik, geben.
Die DGSP fordert die Verantwortlichen der Ampelkoalition auf, entsprechende Gesetzesänderungen unverzüglich auf den Weg zu bringen.
Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.
Der Vorstand
Der Fachausschuss Migration der DGSP