Der Staat hat den Auftrag, uns, die Bürger:innen, vor den Gefahren zu schützen, die von krankheitsbedingt gefährlichen Menschen ausgehen. Dies betrifft vor allem solche Personen, die psychisch erkrankt, persönlichkeitsgestört oder in ihrer Intelligenz gemindert sind und die aus ihrer Beeinträchtigung heraus mit ihrer Tat andere Menschen erheblich geschädigt oder gar getötet haben. Wenn die juristisch definierte Krankheit die Ursache der Tat war, werden sie vom Gericht freigesprochen, das heißt, nicht oder jedenfalls milder bestraft. Aber wenn und solange sie als gefährlich erscheinen, werden sie in geschlossenen psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht, im Durchschnitt rund acht Jahre lang. Unterschiedlich intensive Therapieangebote ringen mit eintretenden Hospitalisierungsschäden und Deprivationen.
Dabei stehen heute längst andere Wege zur Behandlung psychischer Krankheiten und zur Reduzierung von Gefährlichkeit zur Verfügung. Die allgemeine Psychiatrie hat sich seit der Enquete-Zeit Mitte der 1970er Jahre zu einem geografisch sowie fachlich und institutionell differenzierten Versorgungssystem entwickelt. Eine funktionierende gemeindepsychiatrische Ausrichtung mit selbst übernommener Versorgungsverpflichtung steht den psychisch beeinträchtigten Bürgern mit Kliniken, Tagesstätten, betreutem Wohnen und vor allem ambulanten Diensten zur Verfügung.
Vieles hiervon wird den in der Forensik untergebrachten Personen immer noch mit rechtlichen Atavismen, aus struktureller Beharrlichkeit und vor allem wegen immer wieder auftretender Sicherheitshysterie einer (medialen) Öffentlichkeit, vorenthalten. Es mangelt nicht nur an einer umfassenden Bereitschaft der Gesellschaft, sich auch für ihre krankheitsbedingt gefährlichen Mitglieder verantwortlich zu fühlen, sondern vor allem an Mut und Zivilcourage von politisch und administrativ Verantwortlichen, von den überkommenen Vorgaben des frühen 20. Jahrhunderts Abstand zu nehmen und zu zeitgemäßen, effektiven und würdigen Versorgungs- und Kontrollmöglichkeiten überzugehen
Fachausschuss Forensik
Der Fachausschuss Forensik beobachtet mit Sorge die Tendenz zur stetigen Eskalation von Sicherheitsanforderungen und erkennt deshalb seine Aufgaben darin, die Menschenrechts- und Freiheitsorientierung im Vollzug der psychiatrischen Maßregel stärker als bisher zum Ausdruck zu bringen. So fordern wir u.a.:
- Eingrenzung der Anordnungsvoraussetzung
- Änderung des Krankheitsbegriffs im Strafgesetzbuch nach dem Stand der Wissenschaft
- Neuausrichtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht nur bezogen auf die Dauer der stationären Unterbringung, sondern vor allem auch unter Beachtung der Intensität des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht
- Ausbau offener und ambulanter Formen der Versorgung und Kontrolle in der psychiatrischen Maßregel
- Stärkere Kooperation von Allgemeinpsychiatrie und Forensik
- Aufwertung psychologischer und pflegerischer Professionen bei der Aufgabe, Gefährlichkeit zu reduzieren
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