Die Psychiatrie-Enquete hat bereits 1975 die „elenden und menschenunwürdigen Bedingungen“ der Versorgung von psychisch kranken und seelisch behinderten Menschen beklagt und eine „gemeindeorientierte“ Versorgung gefordert. In den „Empfehlungen der Expertenkommission 1988“ wurde die „vernetzte, gemeindeintegrierte“ Versorgung durch einen gemeindepsychiatrischen Verbund gefordert. 1994 wurden der „Trialog“ und damit der Einbezug von Psychiatrie-Erfahrenen und Angehörigen etabliert. Um die Jahrtausendwende wurde der „personenzentrierte Ansatz“ propagiert, der seitdem verbindlich für die Gestaltung gemeindepsychiatrischer Hilfen ist. Die UN-BRK formuliert Leitlinien, die an den Rechten und der Inklusion psychisch erkrankter und seelisch behinderter Menschen orientiert sind. Darüber hinaus gebietet sie, für eine Infrastruktur zu sorgen, die wohnortnah angemessene Hilfen bereitstellt.
In vielen Regionen sind die gemeindenahen und ambulanten Hilfen für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen jedoch immer noch völlig unzureichend entwickelt. Es fehlen Möglichkeiten der „Integrierten komplexen Behandlung“ (Integrierte bzw. strukturübergreifende Versorgung), der medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. Rehabilitationseinrichtung für psychisch Kranke, RPK) sowie Einrichtungen und Dienste der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. In vielen ländlichen und unterprivilegierten Regionen gibt es kaum noch niedergelassene Fachärztinnen oder Fachärzte. Dasselbe gilt für die klinische Versorgung von psychisch erkrankten Menschen.
Fachausschuss Psychiatrie 4.0
Der Fachausschuss Psychiatrie 4.0 hat sich im Jahre 2016 gegründet. Der Name bezieht sich vor allem darauf, dass unsere Perspektive ist, die Zukunft der – vor allem ambulanten – Gemeindepsychiatrie im Blick zu haben. Entsprechend dieses Ziels sind unsere Themengebiete:
- Der Bereich der Krankenbehandlung, wie zum Beispiel die Integrierte Versorgung, Stationsäquivalente Leistungen, Soziotherapie etc.
- Der Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes und Sozialpsychiatrische Dienste
- Der Bereich von Beratungs- und Kontaktstellen auf kommunaler Ebene sowie
- Der Bereich der Eingliederungshilfe bzw. des „Betreuten Wohnens“
Wir versuchen dabei, die Themen in ihrem übergreifenden Zusammenhang zu betrachten.
Die Ziele unserer Arbeit sind im engeren Sinne die Formulierung von Positionspapieren und Stellungnahmen, die für die DGSP nützlich im psychiatriepolitischen Prozess sein können. Hierzu haben wir zum Beispiel Papiere zur Soziotherapie, zur ambulanten Versorgung und zu Handlungsmöglichkeiten in der Pandemie verfasst.
Der Fachausschuss besteht aus ca. 15 Personen aus unterschiedlichen Bundesländern, die sich 2x im Jahr treffen. Die Treffen haben bisher in Berlin stattgefunden. Es sind aber auch andere Orte möglich.
Unsere nächsten Aufgaben werden sein:
- Beschäftigung mit den Folgen von Corona insbesondere für die kommunalen, zuwendungsfinanzierten Einrichtungen und Dienste sowie der sozialpsychiatrischen Dienste.
- Beschäftigung mit der Umsetzung des BTHG (SGB IX) auf Länderebene.
- Entwicklung einer Stellungnahme für den „Dialogprozess Psychiatrie“ zum Thema Kooperation und Koordination.
- Für andere Themenbereiche sind wir natürlich immer offen…