Der Fachausschuss Migration der DGSP unterstützt den Brief von PRO ASYL

An:

Bundesministerin des Auswärtigen
Annalena Baerbock

Bundesministerin des Inneren, für Bau und Heimat
Nancy Faeser

 

Sehr geehrte Frau Baerbock, sehr geehrte Frau Faeser,

die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) setzt sich als berufsübergreifende sozialpsychiatrische Fachgesellschaft seit über 50 Jahren für die Rechte psychisch erkrankter und beeinträchtigter Menschen ein.

Der Fachausschuss Migration der DGSP kümmert sich insbesondere um in Deutschland lebende traumatisierte und von psychischer Erkrankung betroffene Geflüchtete und deren Familien. Mit großer Sorge sehen wir die katastrophalen Folgen des Erdbebens in der Türkei und Syrien und begrüßen das Vorhaben der Bundesregierung einer unbürokratischen Visavergabe an türkische Opfer des Bebens. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass im Erdbebengebiet auch viele tausend syrische, afghanische und andere Geflüchtete betroffen sind, die ebenfalls dringend in die Planung einbezogen werden müssen.

Wir unterstützen daher den folgenden an Sie gerichteten Brief von PRO ASYL:

UNBÜROKRATISCHE VISUMSVERFAHREN AUCH FÜR SYRER:INNEN SOWIE GEFLÜCHTETE IN DER TÜRKEI

(…)

Vor allem in Syrien ist die Situation nach wie vor verheerend. Humanitäre Hilfe kam zu spät in diese Gebiete und reicht nicht aus. Zudem geht der Krieg weiter, schon kurz nach dem Erdbeben bombardierten syrischen Regime und der Türkei die ohnehin zerstörte Region. Der Verweis auf das übliche Verfahren in den umliegenden Auslandsvertretungen wie die Botschaften in Beirut und Amman und das Generalkonsulat in Istanbul nutzt den Betroffenen nichts, da sie dorthin nur unter widrigsten Umständen reisen können. Zudem ist es bisher so, dass Visa für syrische Staatsangehörige in aller Regel wegen einer angeblich fehlenden Rückkehrbereitschaft abgelehnt werden. Die Türkei ist außerdem ein wichtiges Erstaufnahme- beziehungsweise Transitland von geflüchteten Menschen – vor allem aus Syrien und Afghanistan. Viele Geflüchtete lebten in den Elendssiedlungen, die vom Erdbeben zerstört wurden, und hatten kaum die Möglichkeit, sich formell als Geflüchtete registrieren zu lassen. Die Türkei hat nachweislich Geflüchtete willkürlich verhaftet, inhaftiert und nach Syrien und auch noch nach der Machtübernahme der Taliban nach Afghanistan abgeschoben. Die erleichterten Visaregeln müssen für alle gleichermaßen gelten. Auch den in Deutschland lebenden Angehörigen der Flüchtlinge muss ermöglicht werden, ihre Verwandten nach den schrecklichen Erlebnissen unbürokratisch nach Deutschland einzuladen.

AUFNAHME MUSS LÄNGER ALS 90 TAGE MÖGLICH SEIN

Dafür werden 90 Tage oft nicht reichen, weder für türkische noch für Staatsbürger:innen anderer Länder. Daher sollten für bestimmte, besonders verwundbare Gruppen, andere Möglichkeiten gefunden werden: Momentan gibt es nur noch in Berlin/Brandenburg, Hamburg, Thüringen und Schleswig-Holstein Landesaufnahmeprogramme für syrische Staatsangehörige. Auch Angehörige in anderen Bundesländern sollten die Möglichkeit erhalten, über Verpflichtungserklärungen ihren syrischen Familienangehörigen eine Perspektive in Deutschland zu schaffen. Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan muss auch Afghan:innen, die bereits in die Türkei geflüchtet sind, die Möglichkeit geben, sich auch außerhalb Afghanistans zu registrieren, falls sie vom Erdbeben betroffen sind. Die bereits geplanten Landesaufnahmeprogramme für afghanische Staatsangehörige müssen schnellstens umgesetzt werden. Humanitäre Härtefälle müssen anerkannt werden: Wenn zum Beispiel Kinder ihre Eltern verloren haben und in der Türkei zu Waisen geworden sind, aber in Deutschland noch Verwandte haben. Hier gibt es zum Beispiel den Familiennachzug gemäß Paragraf 36 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz zur Vermeidung einer außergewöhnlichen humanitären Härte. Für die Anerkennung eines Härtefalls bestehen derzeit so hohe Anforderungen, dass sie kaum erfüllt werden können. Für Überlebende der Erdbebenkatastrophe muss die im Gesetz beschriebene außergewöhnliche Härte aber unbedingt angewandt werden. Auch muss es hier großzügige Ausnahmen von der Lebensunterhaltssicherung geben. Auch für die Identitäts- und Verwandtschaftsnachweise müssen die Hürden gesenkt werden, da viele Dokumente unter den Trümmern liegen und derzeit nicht neu beschafft werden können.

ERWEITERUNG AUCH FÜR TÜRKISCHE STAATSBÜRGER:INNEN NOTWENDIG

Auch die bereits angekündigten Erleichterungen für türkische Staatsangehörige reichen aus Sicht von PRO ASYL noch nicht aus: Die Einschränkung der Erleichterungen auf Verwandte ersten und zweiten Grades wie Eltern, Geschwister und Enkel ist nicht umfassend genug. Wenn zum Beispiel die Schwester und ihr Partner von einer in Deutschland lebenden Person ums Leben gekommen ist, muss diese ihre verwaisten Nichten und Neffen unbürokratisch nach Deutschland holen können. Zudem muss transparent gemacht werden, was die Anforderung »dauerhafter Aufenthalt in Deutschland« bedeutet. So leben in Deutschland auch viele geflüchtete Türk:innen mit befristeter Aufenthaltserlaubnis, einer Duldung oder Menschen, die unter Bleiberechtsregelungen gefallen sind. Auch sie müssen die Möglichkeit erhalten, unkompliziert Familienangehörige zu sich nach Deutschland zu holen.

VORSCHLÄGE ZUM ABLAUF DES VISUMSVERFAHRENS

Doch auch die Anforderungen für das Visumsverfahren und das Verfahren selbst, mit dem die Menschen ihre Verwandten nach Deutschland holen können, sind zu kompliziert. Um das Visumsverfahren so unbürokratisch wie möglich zu gestalten, sollten alle Verpflichtungserklärungen zusammen mit einer Passkopie und den erforderlichen Personaldaten der Eingeladenen in einer zentralen Stelle und durch das Bundesinnenministerium beauftragten Stelle, wie dem BAMF, übermittelt werden. Das BAMF wiederum übermittelt der Bundespolizei die Daten, sodass bei Ankunft der Betroffenen »visa on arrival« gemäß Paragraf 14 Abs. 2, Paragraf 6 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz ausgestellt werden können, ähnlich wie es bei den Evakuierten aus Afghanistan im Sommer 2021 angewandt wurde. In Ausnahmefällen sollte die Bundespolizei auch Passersatzpapiere ausstellen können, gemäß Paragraf 14 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. Ähnlich, wie es bereits die Bundesländer bei den Landesaufnahmeprogrammen handhaben, sollte auch der Bund für die Erdbebenüberlebenden die Kosten für die medizinische Versorgung übernehmen. Denn es handelt sich auch um eine medizinische Krise. Falls das monatliche Einkommen ein wenig zu gering ist, um eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, sollten innerhalb eines Kulanzrahmens Ausnahmen möglich gemacht werden.

Wir erbitten eine Antwort auf dieses Schreiben und die Beantwortung der Frage, wie viele Visa bisher für türkische, syrische, afghanische und andere Staatsbürger:innen erteilt wurden.

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Patrick Nieswand
Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.

Eugen Berker, Angehöriger eines Forensikpatienten mit eigener Psychiatrieerfahrung

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... man hier gut seine Sorgen, Ängste und auch Kritik äußern kann. Da ist mir wichtig, weil in Hessen Psychiatriepolitik häufig sehr konservativ ist und sich wenig am Wohlergehen der Patienten in der Allgemein- wie auch in der Forensischen Psychiatrie orientiert."

Dr. Klaus Obert, Dipl.-Sozialpädagoge

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... ich der Meinung bin, dass sich sozialpsychiatrisches Denken und Handeln im Sinne des Trialogs unverändert in der DGSP wiederfindet, kontrovers, lebhaft und durchaus kritisch solidarisch diskutiert wird. Vor allem finde ich es beeindruckend, dass zunehmend junge Kolleg/-innen wieder anzutreffen sind und die Beteiligung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen selbstverständlich wird." 

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