Ohne ausreichende und qualifizierte psychiatrische Pflege keine angemessene, wirksame und sichere Versorgung

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Schreiben wollen wir auf die Situation der Pflege in psychiatrischen Handlungsfeldern hinweisen und drohende oder schon vorhandene Probleme der Versorgung aufzeigen.

Aktuell sind sehr viele Pflegefachpersonen (stationär und ambulant) am Limit, neben der Aufrechterhaltung der 24 Stunden an sieben Tagen-Versorgung bei Personalausfällen haben viele weitere Coronafolgen die Pflegenden belastet. Für die kommende Zeit zeichnet sich eine prekäre Lage hinsichtlich Fachpersonenmangel und Berufszufriedenheit ab: in den nächsten zehn Jahren wird es ca. 500000 Berentungen von Pflegefachpersonen geben, aktuell sind sehr viele Stellen unbesetzt, zu erwarten ist eine verstärkte Berufsflucht. Schon heute arbeiten Pflegefachpersonen vielerorts mit dem moralischen Dilemma, in der Versorgung eigene fachliche und ethische Ansprüche wenig realisieren zu können.

Die Mangelsituation der Psychiatrischen Pflege führt zur Absenkung von Standards und Angeboten der psychiatrischen Versorgung. Mit der Fokussierung auf das Dringliche werden Leistungen zurückgefahren, es entfallen vielfältige präventive, übende, niedrigschwellig psychotherapeutische, beratende und edukative Angebote, supportive und orientierungsgebende Gespräche, situatives und geplantes Handeln zur Bedürfnisbefriedigung, die strukturierte Förderung von Gesundheitsverhalten und Gesundheitskompetenz sowie von Recoveryorientierung und Adhärenz. Angebote finden weniger umfänglich statt; Betroffenen fehlen wichtige alltagsnahe und beziehungsorientierte und zeitintensive Hilfeangebote. Die Wahrung der Patientenrechte und die Patientensicherheit sind gefährdet oder bereits eingeschränkt. Im ambulanten Bereich bleiben hilfebedürftige Betroffene teilweise gänzlich unversorgt, in Kliniken müssen elektive Angebote zurückgefahren werden, es wird triagiert.

Die prekäre Situation wird verschärft, wenn mit Steuerungsmaßnahmen reagiert wird, welche zur weiteren Deprofessionaliserung der Pflege führen: eine Absenkung von Standards, Qualifizierung und Bildung, das Anwerben weniger geeigneter Personen, das Reduzieren der Pflegeaufgaben auf „satt-sauber-sicher-still-Verrichtungen“. Solche (häufig praktizierten) Strategien sollen kurzfristig für Entlastung sorgen, sie werden jedoch zum Brandbeschleuniger, weil gerade verantwortungsbewusste und qualifizierte Pflegefachpersonen frustriert werden und verstärkt den Beruf verlassen. Die Folgeprozesse werden mittelfristig zur Katastrophe kumulieren. Die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte hinsichtlich Würdigung, Finanzierung und Qualifizierung der Pflege in Deutschland dürfen keine Fortsetzung erfahren.

Das Ernstnehmen von pflegebezogenen Belangen und weiteren Bedürfnissen Betroffener heißt, eine angemessene Pflege nach professionellen Standards durch qualifizierte Pflegefachpersonen zu ermöglichen. Akteure und Entscheider aller Berufsgruppen und aller Ebenen der psychosozialen Versorgung sind aufgerufen, endlich die langjährigen Forderungen von Pflegeverbänden entschlossen aufzugreifen:

  1. aktiver Einbezug von Pflegefachpersonen in alle Entscheidungen zur psychosozialen Versorgung
  2. entschlossenes Realisieren international vergleichbar Bildungsstandards und Akademisierung mit gleichzeitiger Verbesserung der Arbeitsbedingungen
  3. Zuweisung von Aufgaben und Verantwortung entsprechend dem Handlungsrahmen der Pflegeprofession, verbunden mit ausreichender Stellenbemessung
  4. mehr Forschung zur Sichtbarmachung der Wirksamkeit und mehr Würdigung von Pflegeleistungen innerhalb der multiprofessionellen Versorgung und
  5. die Förderung statt Bekämpfung der beruflichen Selbstverwaltung der Pflege.

6. Mai. 2022, Verbändedialog psychiatrische Pflege für die DFPP e.V. 

Dorothea Sauter, Uwe Genge; für die BAPP e.V.: Stefanie Lutz-Scheidt, Peter Roddau; für die BFLK e.V.: Silke Ludowisy-Dehl, Ulrike Dogue, für die AG Pflege der DGSP: Hilde Schädle-Deininger, David Wegmüller; für die BAG PED: Thomas Linnemann, Gerhard Förster; für die Sektion Psychiatrische Pflegeforschung der DGP: Prof. Dr. Sabine Weissflog, Prof. Dr Markus Witzmann; Dr. André Nienaber, Dr. Stefan Scheydt


Eugen Berker, Angehöriger eines Forensikpatienten mit eigener Psychiatrieerfahrung

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... man hier gut seine Sorgen, Ängste und auch Kritik äußern kann. Da ist mir wichtig, weil in Hessen Psychiatriepolitik häufig sehr konservativ ist und sich wenig am Wohlergehen der Patienten in der Allgemein- wie auch in der Forensischen Psychiatrie orientiert."

Dr. Klaus Obert, Dipl.-Sozialpädagoge

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... ich der Meinung bin, dass sich sozialpsychiatrisches Denken und Handeln im Sinne des Trialogs unverändert in der DGSP wiederfindet, kontrovers, lebhaft und durchaus kritisch solidarisch diskutiert wird. Vor allem finde ich es beeindruckend, dass zunehmend junge Kolleg/-innen wieder anzutreffen sind und die Beteiligung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen selbstverständlich wird." 

Gemeinsam stark!

Drei Gründe für Deine Mitgliedschaft in der DGSP.

Gib Deiner Stimme mehr Gewicht!

In der DGSP kommen Menschen zusammen, die sich für die Rechte von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen einsetzen und deren gemeindenahe Versorgung vorantreiben wollen.

Betrachte alle Seiten! 

Die DGSP bietet Dir eine starke, multiperspektivische Gemeinschaft, in der Du Dich aktiv austauschen und kreativ einmischen kannst.

Sichere Dir die Vorteile!

Mitglieder und Mitarbeitende von Mitgliedsinstitutionen erhalten attraktive Preisnachlässe bei DGSP-Veranstaltungen und vierteljährlich die Fachzeitschrift "Soziale Psychiatrie".