Das DGSP-Papier formuliert klare Empfehlungen für eine menschenrechtsorientierte Neuregelung, die Selbstbestimmung und Schutz der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt.

DGSP-Position zum Auftrag des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)

Krankenhausvorbehalt bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen

Im Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. November 2024 – 1 BvL 1/24 – wird festgestellt, dass der Krankenhausvorbehalt bei der Durchführung ärztlicher Zwangsmaßnahmen teilweise verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2026 eine Neuregelung festzulegen.

Aus dem Bundesministerium für Justiz wurde bekannt, dass im Sommer 2025 ein erster Referentenentwurf erwartet wird.

Stellungnahme der DGSP

Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) hat in mehreren Stellungnahmen die Aufhebung des Krankenhausvorbehalts abgelehnt und dies ausführlich begründet. Für uns ist es wichtig, dass bei einer Neuregelung der Schutz der betroffenen Personen, ihre Rechte und Würde in jedem Fall gewahrt bleiben. Entscheidungen über eine Behandlung sollen möglichst immer von der erkrankten Person selbst getroffen werden. Therapeut:innen spielen dabei eine wichtige unterstützende Rolle.

Mit diesem Papier möchten wir den Gesetzgeber bei der Neuregelung unterstützen.

Anregungen von Dr. jur. Heinz Kammeier

(Stand: 12. Februar 2025)

  • Der Bundesgesetzgeber ist verpflichtet, die durch das Urteil vom 26.11.2024 benannte „konkrete Schutzpflicht“ des Staates durch eine neue gesetzliche Regelung umzusetzen.
  • Die beanstandete Norm betrifft das Betreuungsrecht und das Verhältnis zwischen betreuter Person und Betreuer.
  • Bisher dürfen Betroffene nicht frei wählen, welcher Arzt eine ärztliche Zwangsmaßnahme durchführt, noch den Ort der Behandlung bestimmen.
  • Das Bundesverfassungsgericht fordert, den Krankenhausvorbehalt grundsätzlich beizubehalten und nur für Ausnahmefälle (z.B. wenn in einer Patientenverfügung festgelegt) eine Zwangsbehandlung außerhalb des Krankenhauses zuzulassen.
  • Das Urteil stärkt das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen. Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention haben „Wille und Präferenzen“ der Betreuten Vorrang.
  • Es wird empfohlen, das Selbstbestimmungsrecht auch gesetzlich in § 1827 BGB zu stärken, z. B. durch eine ausdrückliche Regelung, die auch den Behandlungsort bei Zwangsmaßnahmen einschließt.
  • Die Durchführung einer Zwangsmaßnahme außerhalb des Krankenhauses soll nur erlaubt sein, wenn die betroffene Person dies in einer Patientenverfügung festgelegt hat.

Anforderungen und Empfehlungen der DGSP zur Neuregelung

  1. Vermeidung von Zwangsmaßnahmen soll das oberste Ziel bleiben.
  2. Ausnahmen, bei denen Zwangsbehandlungen außerhalb einer Klinik stattfinden dürfen, müssen klar gesetzlich geregelt sein.
  3. Für Zwangsbehandlungen in der Wohneinrichtung sollten folgende Bedingungen gelten:
    • Begutachtung durch den behandelnden Psychiater und einen unabhängigen Psychiater (z. B. vom Sozialpsychiatrischen Dienst).
    • Gemeinsames Urteil, dass Medikation gegen den Willen unvermeidbar ist und eine Krankenhausverlegung unzumutbar wäre.
    • Zustimmung der rechtlichen Betreuung und Genehmigung durch das Betreuungsgericht.
    • Nachweis von Fachpflegepersonal mit regelmäßiger Fortbildung im Umgang mit Notfällen.
    • Mindestens drei Fachpflegepersonen und ein Psychiater müssen bei der Maßnahme anwesend sein.
    • Engmaschige Überwachung nach der Zwangsbehandlung, inklusive persönlicher Sitzwache in den ersten 12 Stunden.
    • Sicherstellung einer fachlichen Vor- und Nachsorge (medizinisch, pflegerisch, psychologisch).
    • Aufnahme der Einrichtung in die Liste staatlicher Besuche durch die Besuchskommission.
    • Berichtspflicht der Häufigkeit ambulanter Zwangsmaßnahmen an das Landesministerium.
  4. Therapeut:innen oder therapeutische Teams sollen verpflichtet werden, über Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und Behandlungsvereinbarungen zu informieren und die Betroffenen bei deren Erstellung zu unterstützen.
  5. Die DGSP unterstützt Forderungen, die verfahrens- und organisationsrechtlichen Regelungen zu verbessern, um das Ultima-Ratio-Prinzip (Zwang nur als letztes Mittel) in der Praxis besser durchzusetzen.

Fazit

Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber klar in der Pflicht, die bisherige Regelung zum Krankenhausvorbehalt zu überarbeiten. Die DGSP setzt sich dafür ein, dass bei der Neuregelung die Rechte und Würde der Betroffenen gestärkt und Zwangsmaßnahmen nur unter streng kontrollierten Bedingungen zulässig bleiben. Die begleitende Unterstützung durch Therapeut:innen und eine klare gesetzliche Basis sind dabei entscheidend.

Stand: 21. Mai 2025


Dr. Klaus Obert, Dipl.-Sozialpädagoge

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"... ich der Meinung bin, dass sich sozialpsychiatrisches Denken und Handeln im Sinne des Trialogs unverändert in der DGSP wiederfindet, kontrovers, lebhaft und durchaus kritisch solidarisch diskutiert wird. Vor allem finde ich es beeindruckend, dass zunehmend junge Kolleg/-innen wieder anzutreffen sind und die Beteiligung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen selbstverständlich wird." 

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