Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) nimmt das Stellungnahmerecht zur Änderung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wahr.

DGSP-Stellungnahme zum Beschlussentwurf über eine Änderung der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie vom 06.12.2023: Weitere Änderungen zum Erfassungsjahr 2024

Die Richtlinien-Fassung vom 06.12.2023 wird aus Sicht der DGSP weiterhin dem gesetzlichen Auftrag gemäß § 136a Absatz 2 Satz 1 SGB V an den G-BA nicht gerecht, Mindestvorgaben zur Personalausstattung vorzulegen, die evidenzbasiert sind und zu einer leitliniengerechten Versorgung beitragen. Es werden lediglich Mindestvorgaben im Sinne einzuhaltender Untergrenzen beschrieben.

Mit der Änderung werden die Sanktionen bei Nichteinhaltung der Mindestpersonalvorgaben für weitere zwei Jahre ausgesetzt, was sehr zu begrüßen ist. Dennoch gehen wir davon aus, dass in zwei Jahren der derzeit herrschende Fachkräftemangel nicht behoben sein wird. Bei den Bedingungen, wie sie in der Richtlinie beschrieben werden, ist es sehr gut möglich, dass Tageskliniken oder andere Versorgungseinrichtungen geschlossen werden.

Ein besonderes Anliegen der DGSP ist es, dass die Kliniken dazu befähigt und ermutigt werden, ihre außerklinische Krisenbehandlung sowie die Vernetzung im Sinne einer flexiblen, sektorenübergreifenden und wohnortnahen Versorgung weiter zu entwickeln. Dazu sollten die Instrumente Regionalbudget nach § 64b SGB V, Stationsäquivalente Behandlung (StäB) und die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) eine große Rolle spielen. Eine Entwicklung der Versorgung dahin gehend könnte dazu führen, dass die klinische Personalbemessung in der Krisenbehandlung eine geringere Rolle spielt.

Die PIAs könnte sich wie bspw. in der Leipziger Heliosklinik zur PIA mobil weiterentwickeln und die Lebenswelten von Betroffenen stärker einzubeziehen. Unsere Kollegen aus Meran in Südtirol haben auf der DGSP-Jahrestagung im November 2023 eindrucksvoll dargestellt, wie ein Regionalbudget kombiniert mit gelebter Kooperation und gemeinsamer Verantwortung aller Beteiligten in einer Region zur wesentlichen Verbesserung der Begleit- und Behandlungsbedingungen für Menschen in psychischen Krisen führt.

Des Weiteren weisen wir auf die Kerninhalte unserer bisherigen Position hin:

Das notwendigerweise ausreichend vorhandene Personal der verschiedenen Fachdisziplinen sowie Menschen mit eigener Krisenerfahrung als Genesungsbegleiter:innen sind die wichtigsten Ressourcen zur Unterstützung von Menschen in psychischen Krisen. Das Personal begleitet, behandelt und schützt Menschen in Krisen und steht jederzeit mit hoher Verantwortung unterstützend zur Verfügung. Es geht nicht nur darum, die PPP-Richtlinie zu überarbeiten, es geht darum, Menschen die bestmögliche Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen anbieten zu können.

Es erscheint uns naheliegend, pflichtversorgende Einrichtungen zu stärken. Weniger überzeugend ist es, nicht-pflichtversorgende Einrichtungen einseitig personell zu schwächen. Die DGSP schlägt hingegen eine Umschichtung von personellen Ressourcen zugunsten von pflichtversorgenden Einrichtungen vor. Diese Stärkung sollte besonders für Alternativen zur stationären Versorgung genutzt werden, also für die Versorgung mit Home Treatment und stationsäquivalenter Behandlung. Längere Fristen für Sanktionen sind sinnvoll, weil durch das Sanktionensystem die großen gegenüber den kleinen Einrichtungen bevorzugt werden, da letztere personelle Engpässe schlechter kompensieren können.

Generell sollten alternative Modelle der Personalbemessung wie die Psych-PV plus von Ver.di oder das Plattform-Modell der DGPPN für eine grundlegende Neufassung herangezogen werden. Die DGSP wird sich daran oder an einer trialogischen Expert:innenkommission gerne beteiligen.

Wir können nicht erkennen, inwieweit die hier vorgeschlagene Änderung die Belange von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Krisensituationen verbessern kann. Vielmehr sehen wir durch die vielfältigen Folgen bei Nichteinhaltung der Mindestvorgaben die stationäre Versorgung besonders für schwersterkrankte Menschen ab 2026 erheblich gefährdet. Dabei muss beachtet werden, dass durch die Arbeitsmarktsituation in vielen Regionen gar nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht. Andererseits gibt es ökonomische Anreize, die Personalkosten gering zu halten, sei es durch eine quantitative Geringbesetzung, sei es durch qualitative Einschränkungen.
Allgemein erweckt die Richtlinie den Eindruck, dass hier nicht die Belange der psychisch erkrankten und
behandlungsbedürftigen Menschen im Vordergrund stehen, sondern ökonomische Partialinteressen.

Ausrichtung und Ausstattung der Hilfen müssen von den Bedarfen der einzelnen betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen gedacht werden, im Krankenhaus ebenso wie in ambulanter Therapie und Wiedereingliederung. Die DGSP fordert einen Prozess der grundlegenden Erarbeitung von Personalbedarfen in den psychiatrischen Hilfssystemen über die stationäre Akutversorgung hinaus. Dabei schließen wir uns der Forderung des Bundesverbands der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) nach der umfassenden Beteiligung einer trialogischen Expert:innengruppe mit Vertreter:innen aus Wissenschaft und Praxis an. Dazu sollte baldmöglichst eine Nachfolgestudie zur Wittchen-Studie erstellt werden.

Der wiederholt begrenzte Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Änderung am 11. Dezember 2023 und der Frist zur Einreichung der Stellungnahme bis 08. Januar 2024 lässt kaum Raum für unsere verbandsinterne Kultur der gemeinsamen Meinungsbildung und dem dazu gehörigen Abstimmungsprozess.

Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.
Der Vorstand
28.12.2023

Eugen Berker, Angehöriger eines Forensikpatienten mit eigener Psychiatrieerfahrung

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... man hier gut seine Sorgen, Ängste und auch Kritik äußern kann. Da ist mir wichtig, weil in Hessen Psychiatriepolitik häufig sehr konservativ ist und sich wenig am Wohlergehen der Patienten in der Allgemein- wie auch in der Forensischen Psychiatrie orientiert."

Dr. Klaus Obert, Dipl.-Sozialpädagoge

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... ich der Meinung bin, dass sich sozialpsychiatrisches Denken und Handeln im Sinne des Trialogs unverändert in der DGSP wiederfindet, kontrovers, lebhaft und durchaus kritisch solidarisch diskutiert wird. Vor allem finde ich es beeindruckend, dass zunehmend junge Kolleg/-innen wieder anzutreffen sind und die Beteiligung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen selbstverständlich wird." 

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