Die DGSP spricht sich gegen die Einführung einer Bezahlkarte für geflüchtete und Asyl suchende Menschen.

Nachdem die Regierungskoalition sich auf eine Gesetzesgrundlage für eine Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber.innen geeinigt hat, appelliert der Fachausschuss Migration der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V. an die Bundesländer und Kommunen, „Nein zur Bezahlkarte“ zu sagen. Die Gründe, sich offensiv gegen die Einführung einer Bezahlkarte auszusprechen, sind vielfältig.

Große Alltagshürde

Die Bezahlkarte stellt ein großes Hindernis für die Bewältigung des Alltags dar. Mit einer solchen Karte ist es nicht möglich, überall und vor allem in kleinen Läden bezahlen zu können. Es kann nur noch ein kleiner Bargeldbetrag abgehoben werden. Der kostengünstige Einkauf gebrauchter Gegenstände von Privatpersonen ist damit sehr eingeschränkt. Durch die Nutzung der Karte entstehen Gebühren, z.B. 2 € bei einer Bargeldabhebung. Überweisungen und Online-Einkäufe sind ausgeschlossen. Dadurch sind auch der Abschluss eines Handyvertrags sowie der Beitritt in einem Sportverein unmöglich. Unklar ist noch, wie Strom-, Gas-, Wasser- und Heizungskosten in einem eigenen Haushalt bezahlt werden sollen. Mancherorts ist der Einsatz der Bezahlkarte zudem geografisch beschränkt, was den Einkauf bestimmter Produkte verhindern kann. Viele Dinge, die zum Existenzminimum gehören, können mit der Bezahlkarte also nicht mehr oder nur zu deutlich höheren Preisen eingekauft werden. Asylsuchende werden an einem günstigen und einfachen Alltagsleben gehindert.

Unerträgliche Einschränkung für psychisch erkrankte Geflüchtete

Psychische Erkrankungen führen in der Alltagsbewältigung schnell zu Überforderung und dadurch auch zu sozialem Rückzug und Verschlechterung der psychischen Grunderkrankung. Je nach Personengruppe und Fluchtgeschichte bestehen bei geflüchteten Menschen besondere gesundheitliche Risiken für die psychische Gesundheit. Sie sind überproportional psychisch belastet und oftmals traumatisiert. Mit der Einführung der Bezahlkarte nimmt die Belastung für psychisch erkrankte Geflüchtete zu, da die für den Alltag nötigen Erledigungen erschwert werden. Es entstehen so zusätzliche Hürden für eine Teilhabe an der Gesellschaft. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie die Grundrechte gewahrt werden können, wenn die im Asylverfahren anfallenden Kosten für eine Rechtsvertretung, wenn überhaupt, nur aus dem begrenzten Barbetrag bezahlt werden. Asylsuchende müssen unter Umständen viele Jahre, Geduldete sogar Jahrzehnte mit der Bezahlkarte leben, insbesondere die psychisch erkrankten Betroffenen, die ohnehin schon Schwierigkeiten haben, den Asylprozess durchzustehen. Das macht diese Einschränkungen umso unerträglicher.

Unnötig und aufwändig

Die Vergabe von Sozialleistungen hat nach aktueller Studienlage keinen konkreten migrationssteuernden Effekt.(1) Sie verursacht dafür einen immensen Mehraufwand in Behörden. Für asylsuchende Menschen mit psychischer Erkrankung und die sie unterstützenden Fachkräfte und Angehörigen bedeutet sie eine massive und unnötige Einschränkung. Hingegen sollen die Ressourcen besser für bewährte Ansätze eingesetzt werden, die eine zügige Integration von Geflüchteten ermöglichen.


Köln, den 09.04.2024
Francesca Russo und Niko Büechl
für den Fachausschuss Migration der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.

(1) Vgl: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags: © 2020 Deutscher Bundestag WD 1 - 3000 - 027/20 Push- und Pull-Faktoren in der Migrationsforschung, abgerufen am 09.04.2024 unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/799860/b555457732e3ec012177cdf4357110a0/WD-1-027-20-pdf-data.pdf
 
Eugen Berker, Angehöriger eines Forensikpatienten mit eigener Psychiatrieerfahrung

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... man hier gut seine Sorgen, Ängste und auch Kritik äußern kann. Da ist mir wichtig, weil in Hessen Psychiatriepolitik häufig sehr konservativ ist und sich wenig am Wohlergehen der Patienten in der Allgemein- wie auch in der Forensischen Psychiatrie orientiert."

Dr. Klaus Obert, Dipl.-Sozialpädagoge

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... ich der Meinung bin, dass sich sozialpsychiatrisches Denken und Handeln im Sinne des Trialogs unverändert in der DGSP wiederfindet, kontrovers, lebhaft und durchaus kritisch solidarisch diskutiert wird. Vor allem finde ich es beeindruckend, dass zunehmend junge Kolleg/-innen wieder anzutreffen sind und die Beteiligung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen selbstverständlich wird." 

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