Psychiatriereform im Land Bremen – Aktuelle Situation und öffentliche Berichterstattung
05.2.2025
Mit großem Erschrecken nimmt die DGSP die aktuellen Entwicklungen in der gemeindepsychiatrischen Versorgung des Landes Bremen wahr, die ihren Tiefpunkt in der Trennung der Gesundheit Nord (GeNo) vom bisherigen Chefarzt Dr. Martin Zinkler verzeichnet. Besonders besorgniserregend ist die damit verbundene Berichterstattung und öffentliche Diskussion, die durch gesamt-gesellschaftliche Entwicklungen geprägt ist. So wird die Trennung von Martin Zinkler im Besonderen damit begründet, dass er das erklärte Ziel Verzicht auf Zwangsmaßnahmen zu konsequent umgesetzt habe und es deshalb z.B. vorgekommen sei, „dass gewalttätige, augenscheinlich psychisch gestörte Personen von der Polizei…eingeliefert wurden, kurze Zeit später aber schon wieder auf freiem Fuß waren“ (Weser Kurier, 04.01.2025). Aus Sicht der DGSP suggerieren solche Verknüpfungen, dass es vorrangige Aufgabe sei, die Gesellschaft vor psychisch erkrankten Menschen zu schützen – auch wenn die Rechte des Einzelnen, z.B. in Form von Zwangsmaßnahmen, in erheblichem Maße eingeschränkt werden. Damit wird einem gefährlichen Zeitgeist Rechnung getragen, der psychische Erkrankungen und Gewaltbereitschaft / Gefährdung für die Öffentlichkeit in einen kausalen Zusammenhang bringt (wie z.B. in der Forderung des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann nach einem Zentralregister für psychisch Kranke).
Menschen mit psychischen Erkrankungen sind nicht grundsätzlich gewaltbereiter und gefährlicher als Menschen ohne eine solche Zuschreibung.
Die aktuelle Diskussion um den Stand der Bremer Psychiatriereform wird in erheblichem Maße an der Situation des Klinikums Bremen-Ost (KBO) festgemacht. Die Reform sei „eine tragische Angelegenheit…theoretisch zu begrüßen…dieser Ansatz praktisch doch gerade gescheitert“ (Weser Kurier, 08.01.2025). Diese Verkürzung der Reformprozesse wird den vielen anderen Entwicklungen der letzten Jahre nicht gerecht und unterstützt eine leider noch immer zu starke öffentliche Fokussierung auf die klinische Behandlung, wenn es um Belange der Sozialpsychiatrie geht. In der Realität stellt sich der Bereich aber viel breiter auf – so stellen z.B. die flächendeckende Implementierung von Fürsprache- und Beschwerdestellen, der Aufbau Gemeindepsychiatrischer Verbünde und die Weiterentwicklung der Angebote durch unterschiedlichste Modellprojekte wesentliche Bausteine im Reformprozess der letzten Jahre dar.
Außerdem ist ein Transformationsprozess der Krankenhausversorgung (Bettenabbau und Aufbau ambulanter Versorgung durch BravO) nicht isoliert zu betrachten, es sind parallel auch Anpassungen in der Eingliederungshilfe notwendig. Diese sind nicht in entsprechendem Umfang erfolgt, was auch die Behandlung und Begleitung von Menschen mit psychischen Erkrankungen erschwert.
Die Psychiatriereform im Land Bremen umfasst nicht nur den Bereich der medizinischen Behandlung. Eine Bewertung der Erfolge oder Misserfolge darf nicht auf das Fortschreiten der geplanten Transformation des Klinikums Bremen-Ost beschränkt werden.
Die DGSP hat die Umsetzung der Psychiatriereform in den letzten Jahren immer kritisch begleitet. Einiges stellt sich als sehr positiv dar, anderes teilen wir nicht. Das grundsätzliche Bemühen und Ringen um eine Verbesserung der Situation ist dabei bei der Mehrzahl der Akteure zu sehen gewesen. So können aus unserer Sicht auch einige konkrete Maßnahmen des KBO kritisch hinterfragt und diskutiert werden. Allerdings rechtfertigt das auf keinen Fall den aktuellen Umgang mit einem wesentlich verantwortlichen Mitarbeiter. Die Trennung von Martin Zinkler ist kein Ausdruck eines konstruktiven Prozesses, an dessen Ende die Feststellung steht, dass man unvereinbare Positionen vertritt. Zum einen ist das ein ethisch fragwürdiger Stil, der zu kritisieren ist. Zum anderen ist es aber auch ein verkürzter Ansatz, davon auszugehen, dass diese personelle Entscheidung strukturelle Probleme bei der Transformation der Klinik lösen kann.
Die Trennung von einzelnen verantwortlichen Mitarbeitenden kann keine grundsätzlichen strukturellen Probleme lösen.
Wir fordern alle Beteiligten auf, sich aktiv zur Psychiatriereform im Land Bremen zu bekennen und ihn konstruktiv mitzugestalten. Dazu gehört auch eine Positionierung der Politik und des Senats, dass man diesen Weg weitergehen will. Die aktuelle Entscheidung des Senates, eine Kommission „Sozialleistungen“ einzusetzen, ist auf die unbestritten schwierige finanzielle Situation des Landes Bremen zurückzuführen. Eine Prüfung, an welcher Stelle Standards abgesenkt werden, die vermeintlich über dem bundesdeutschen Schnitt liegen, darf auf keinen Falle zu Lasten der Psychiatriereform und damit der Schwächsten gehen.
Ebenso plädieren wir in der öffentlichen Diskussion an die Vernunft aller, einen sachlichen und fachlichen Austausch zu führen. Einfache Antworten auf komplexe Herausforderungen sind gegenwärtig in Mode, führen aber nie zu wirklichen Lösungen und tragen zur zunehmenden Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei. Das lehnen wir ab und es ist unbedingt zu vermeiden.