Die Jahrestagung der DGSP zum Thema »Lebensspannen – Spannendes Leben« fand vom 16. bis 18. Oktober 2025 in den Räumlichkeiten des Forums Leverkusen statt.
Fotos: Klaus Radetzki / https://www.klausradetzki.de/
Vorabend: Mittwoch, 15. Oktober
DGSP-Stiftung: Rückblick auf die Reform.
Die Auftaktveranstaltung fokussierte auf das Thema »Psychiatriereform im gesellschaftlichen Kontext«.

Drei prägende Persönlichkeiten der DGSP (Christiane Haerlin, Michael von Cranach, Niels Pörksen), die maßgeblich an der Psychiatrie-Enquete beteiligt waren, beleuchteten die politischen Hürden der Umsetzung. Sie kritisierten Mängel der Enquete, darunter die mangelnde Einbindung von Betroffenen und Angehörigen. Für die gegenwärtige und zukünftige Entwicklung forderten sie eine Abkehr vom reinen Institutionalismus sowie eine Haltung der »aktiven Kritik« gegenüber problematischen Entwicklungen.
Erster Haupttag: Donnerstag, 16. Oktober
Diskussion um den Maßregelvollzug (MV).
Im Rahmen eines Symposiums stellte Stefan Corda-Zitzen das Positionspapier zur MV-Reform vor.
Die anschließende Debatte (Moderation: Dieter Schax) konzentrierte sich auf Schwerpunkte notwendiger Änderungen: eine zeitliche Begrenzung der Aufenthaltsdauer im MV, die Strukturierung in kleineren Einheiten, die Einbeziehung der Insassen in die Sozialversicherungen sowie die Abschaffung des Paragraphen zur eingeschränkten Steuerungsfähigkeit (§ 21).
Offizielle Tagungseröffnung. Nach den Begrüßungsworten des DGSP-Vorstands (Stefan Corda-Zitzen) und des Leverkusener Oberbürgermeisters, übernahm Christian Reumschüssel-Wienert kurzfristig den ersten Vortrag. Er hielt eine unterhaltsame Stegreifrede über psychiatriehistorische Aspekte und empfahl der DGSP die Berücksichtigung des Recovery-Konzepts. Daraufhin befasste sich eine trialogisch besetzte Runde mit der Frage, inwieweit das Tagungsmotto die tatsächliche Lebenswirklichkeit der Betroffenen widerspiegelt.
Verantwortung und Teilhaberecht:
Michael Wunder präsentierte einen beeindruckenden Vortrag mit dem Titel »Gibt es eine Antwort auf die Geschichte? Zur Verantwortung der Psychiatrie heute«. Er zog eine Linie von den NS-»Euthanasie«-Verbrechen bis zu aktuellen Debatten um den selbstbestimmten Tod.
Dr. Dieter Schartmann (LVR) informierte über Erfolge und Mängel seit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Die Feststellung, dass die ausufernde Teilhabeplanung eine Verdreifachung des Personalbedarfs in der Verwaltung nach sich zog, führte zu Ironie im Publikum.
Rückschau und Abend: Bettina Jahncke und Annika Stiglic gaben die erste inhaltliche Zusammenfassung der Vorträge. Daran schlossen sich die Mitgliederversammlung der DGSP an.
Zweiter Haupttag: Freitag, 17. Oktober
Versorgungskonzepte und Sucht.
Prof. Gouzoulis-Mayfrank (DGPPN): Die DGPPN-Präsidentin referierte über »Klinik und Gemeindepsychiatrie über die Lebensspanne« und hob die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Verbänden hervor. Sie stellte ein Versorgungsmodell vor, in dem Genesungsbegleitung und soziale Teilhabe zentrale Bestandteile sind.

Martin Reker behandelte das Thema »Sucht im Alter«. Er plädierte für eine flexible Berücksichtigung zwischen vollständiger Abstinenz und der Bewahrung der Autonomie bei älteren Menschen mit Suchterkrankungen.

Prof. Dr. Michael Kaess beleuchtete die steigenden psychischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen. Er zeigte auf, dass eine frühe Borderline-Erkrankung die gesellschaftliche Eingliederung dauerhaft erschwert, wobei StäB (Strukturierte ambulante Behandlung) das Funktionsniveau verbessern kann.

Fokus Elternschaft. Die Podiumsdiskussion »Soziale Teilhabe über Elternschaft« wurde durch Kurzbeiträge eingeleitet. Diese beleuchteten die spezifischen Schwierigkeiten psychisch beeinträchtigter Eltern, darunter die Problematik des Sorgerechtsverlusts (Silvia Krumm), die Perspektive einer Betroffenen, die zur Genesungsbegleiterin wurde (Julia Exter), sowie das Fehlen von adäquater Unterstützung durch Kostenträger (Dr. Marion Michel).

Stigmatisierung und Workshops.
Michael Borg-Laufs: Sein Vortrag zur »Stigmatisierung psychisch erkrankter Kinder und ihrer Eltern« benannte das Thema als mangelhaft bearbeitet und betonte die geringe Möglichkeit der Kinder, sich zur Wehr zu setzen.

Rückschau: Es folgte die zweite inhaltliche Zusammenfassung durch die Tagungsbeobachterinnen, bevor das Workshopprogramm begann.

Dritter Haupttag: Samstag, 18. Oktober
Bilanz und Digitalisierung.
Dr. Elke Prestin: Mit »50 Jahre Psychiatrie-Enquete: Wo stehen wir heute?« zog sie Bilanz. Sie betonte die Fortschritte durch Recovery, Trialog und die UN-Behindertenrechtskonvention (UN BRK), konstatierte jedoch gleichzeitig eine Zunahme im MV und das Fehlen von flächendeckenden Krisendiensten.
Christiane Tilly präsentierte ihr Dissertationsprojekt zur »rekonstruktiven Erzählungsanalyse« von Frauen mit Borderline-Diagnose, in dem die herausragende Bedeutung traumatischer und verletzender Beziehungserfahrungen auf den Genesungswegen deutlich wurde.
Dr. Jacob Kaminski: Er stellte »Neue Wege in der psychiatrischen Versorgung« vor. Er betonte, dass digitale Angebote (DiGAs, KI) eine Möglichkeit darstellen, die Behandlungszeiträume zu überbrücken, auch wenn für schwer psychisch Kranke noch Anpassungen notwendig sind.
Abschluss: Die abschließenden Impulse der Tagungsbeobachterinnen und das Schlusswort beendeten die Tagung.