Fremde Nachbarschaften – Verbindende Begegnungen in der Sozialpsychaitrie - 14.-16. November 2024 in Freiburg
Erstmals veranstalteten die Schweizerische Gesellschaft für Sozialpsychiatrie (SOPSY) und die DGSP eine gemeinsame Jahrestagung. Eine gemeinsame Vorbereitungsgruppe hatte die Tagung in einem intensiven Prozess organisiert und vorbereitet.
Die Beziehungen von Menschen in modernen Gesellschaften sind häufig geprägt von Erfahrungen der Fremdheit. Sei es Fremdheit angesichts verschiedener Lebensstile, Kulturen oder Sprachen, sei es eine grundsätzliche Fremdheit zwischen subjektiven und objektiven Wirklichkeiten oder auch die selbstbeszogene Fremdheit, wenn ich mir selbst fremd werde. Auch und insbesondere in der Psychiatrie und Psychotherapie begegnen wir Menschen, die mit Gefühlen der Fremdheit konfrontiert sind, die uns zum Beispiel aufgrund von normabweichendem Verhalten fremd sein oder in uns Befremden auslösen können.
Vor diesem Hintergrund geht es um folgende Fragen:
- Welche Erfahrungen mit Fremdheit machen Menschen mit Psychiatrieerfahrung, Angehörige und Profis?
- Wie lassen sich Fremdheit und Stigmatisierung in der Psychiatrie, in der Gesellschaft, aber auch im sozialen Nahraum und im intraspychischen Raum erkennen?
- Welche Strategien gibt es in den verschiedenen sozialen Räumen zur Reduktion von Fremdheit und Stigmatisierung bzw. zum Aufbau sozial verbindender Beziehungen?
- In welchern Situationen kann es hilfreich sein, Fremdheit zu akzeptieren?
Ein großer Dank geht auch an Klaus Radetzki, der alle Fotos gemacht hat, sofern sie nicht anders gekennzeichnet sind.
Rahmenprogramm
Zum Auftakt lud die Stiftung für Soziale Psychiatrie der DGSP in das kommunale Kino Freiburg ein, um den Film „IRRE - Die Freiburger Hilfsgemeinschaft“ zu sehen. Präsentiert vom Beiratsvorsitzenden der Stiftung, Christian Reumschüssel-Wienert, gab es im Anschluss des Films eine Diskussion mit der Regisseurin des Films, Reinhild Dettmer-Finke.
Als Begleitveranstaltung fand das Symposium „Mangelnde Aufklärung und unterlassene Hilfe beim Reduzieren und Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika“ statt. Anna Emmanouelidou, Thelke Scholz, Peter Lehmann, Stefan Weinmann und Stefan Vetter referierten, stellten wissenschaftliche Ergebnisse und ihre erfolgreichen Arbeitsmethoden und -haltungen vor.
Tagungsprogramm Tag 1
Christel Achberger (DGSP-Vorstand) und Walter Gekle, Andrea Zwicknagl und Christian Burr (SOPSY-Vorstände) begrüßten die 300 Teilnehmenden der Jahrestagung in Freiburg. Andrea Zwicknagl war leider kurzfristig verhindert, konnte sich aber dank Videotechnik einbringen. Auch der Bürgermeister der Stadt Freiburg für Jugend, Soziales und Integration, Ulrich von Kirchbach, richtete seine Grußworte an die Teilnehmenden der Jahrestagung. Ein Grußwort per Videobotschafter richtete der Baden-Württembergische Minister für Soziales und Gesundheit, Manne Lucha an das Auditorium.
Sabine Rühle Andersson (Berner Fachhochschule) und Sozialarbeiterin Carina Kebbel sprachen über eigene Krisenerfahrungen, Freija Geniale (Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung Basel-Stadt) und Gabriele Glocker (Landesverband Baden-Württemberg der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V.) führten ein Gespräch von Angehörigen und darauf folgte das Gespräch von Profis mit Dr. med. Lieselotte Mahler (Psychiaterin und Psychotherapeutin) und Prof. Dr. med. Mathias Jäger (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie).
Den Abschluss des ersten Tagungstages stellten die Verleihung der DGSP-Forschungspreise und die Mitgliederversammlung der DGSP dar.
Geehrt wurden Andreas Bechdolf und seine Forschungsgruppe zur Stationsäquivalenten Behandlung sowie Hendrik Meyer mit dem Nachwuchspreis für seine Arbeit zu Methoden der Reduzierung von Zwangsanwendung.
Tagungsprogramm Tag 2
Moderiert wurde der zweite Tag von Thelke Scholz und André Nienaber
Prof. Dr. Dr. Andreas Heinz (Klinikdirektor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus der Charité Berlin) hielt einen unterhaltsamen Vortrag des Tages zur Entfremdung von psychisch leidenden Menschen in der Psychiatrie. Er stellt dar, wie sich das Bild von psychischer Krankheit in den Gesellschaften der verschiedenen Epochen entwickelt hat und zog Schlüsse für die heutige Gesellschaft und das Krankheitsbild heute.
Einen Einblick in die Perspektive von Personen mit eigener Krisenerfahrung ermöglichte den Teilnehmenden der Jahrestagung die Aktivistin und Poetry-Slammerin in der Soteria Bern, Simone Fasnacht.
Dipl.-Psychologe und EX-IN-Genesungsbegleiter Klaus Nuißl sprach in seinem Vortrag „Fremdheit und der Kampf gegen Vorurteile gegenüber dem Fremden“ über die Perspektive eines betroffenen Profis.
Anschließend daran, referierte die Expertin für Migration, Gesundheit und Chancengleichheit Dr. phil. Amina Trevisan über „Krankheitserfahrungen migrierter Frauen in der Schweiz“.
Am Nachmittag wurden 12 Workshops zu verschiedensten Themen angeboten. Die Teilnehmenden verteilten sich in den verschiedenen Räumen des Bürgerhauses, der Freiburger Hilfsgemeinschaft und im Cafe Pausenraum. Die Workshops wie auch die Referate werden in unserer Verbandszeitschrift „Soziale Psychiatrie“ Ausgabe 02/2025, die am 01.04. erscheint, dokumentiert.
Anschließend fand die Tagungsfete im Haus 37 in Freiburg statt. Die Haiducken und DJ Carsten heizten dem Publikum ordentlich ein, das Essen war jedoch traditionell knapp bemessen.
Tagungsprogramm Tag 3
Walter Gekle (Chefarzt und stv. Direktor im Zentrum psychiatrische Rehabilitation der Universitäre Psychiatrische Dienste Bern und Chefarzt der Soteria Bern) und Klaus Obert (Caritasverband für Stuttgart e.V. und stellvertretender Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde) moderierten den dritten Tagungstag.
Doktor der Philosophie Istvan Fazakas sprach in seinem Vortrag über „Selbstentfremdung und die Möglichkeit, sich selbst wiederzufinden“. Dabei hielt der der Psychiatrie und ihren Mitarbeitenden gekonnt und humorvoll den Spiegel vor, machte Verweise auf große Denker und regte die Teilnehmenden zum Weiterdenken an.
Den Abschluss machte die schweizerisch-deutsche politische Gesprächsrunde zum Thema „Was schafft Nähe und Verbindung in der Sozialpsychiatrie? Was können wir voneinander lernen?“
Genesungsbegleiterin Nicole Haas und Genesungsbegleiter Mirko Olostiak-Brahms interviewten die Dikutierenden Oliver Bolliger, Takis Mehmet Ali und Ursula Zybach.
Anschließend zogen die Vorsitzenden ein Fazit und verabredeten, in Zukunft weiter eng zusammen zu arbeiten.
Dank
Die DGSP bedankt sich beim Team des Bürgerhauses Zähringen und beim Team des Cafe Pausenraums für den guten Service und die unkomplizierte Unterstützung.
Des Weiteren waren die Mitarbeitenden der Freiburger Hilfsgemeinschaft, vom Freiburger Verein ask! sowie unser Fotograf Klaus Radetzki wichtige Stützen.
Sofern nicht anders gekennzeichnet, wurden alle Fotos in diesem Beitrag von Klaus Radetzki gemacht.