Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) nimmt das Stellungnahmerecht zur Änderung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wahr.

DGSP-Stellungnahme zum Beschlussentwurf über eine Änderung der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie vom 07.06.2023: Konkretisierung und Überarbeitung der Regelungen

Die Richtlinien-Fassung vom 07.06.2023 wird aus Sicht der DGSP weiterhin dem gesetzlichen Auftrag gemäß § 136a Absatz 2 Satz 1 SGB V an den G-BA nicht gerecht, Mindestvorgaben zur Personalausstattung vorzulegen, die evidenzbasiert sind und zu einer leitliniengerechten Versorgung beitragen. Es werden lediglich Mindestvorgaben im Sinne einzuhaltender Untergrenzen beschrieben.

Das notwendigerweise ausreichend vorhandene Personal der verschiedenen Fachdisziplinen sowie Menschen mit eigener Krisenerfahrung als Genesungsbegleiter:innen sind die wichtigste Ressource zur Unterstützung von Menschen in psychischen Krisen. Das Personal begleitet, behandelt und schützt Menschen in Krisen und steht jederzeit mit hoher Verantwortung unterstützend zur Verfügung. Es geht nicht nur darum, die PPP-Richtlinie zu überarbeiten, es geht darum, Menschen die bestmögliche Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen anbieten zu können.

Es erscheint uns naheliegend, pflichtversorgende Einrichtungen zu stärken. Weniger überzeugend ist es, nicht-pflichtversorgende Einrichtungen einseitig personell zu schwächen, so wie es im Richtlinien-Entwurf vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) in §6 (6) vorgeschlagen wird. Die DGSP schlägt hingegen eine Umschichtung von personellen Ressourcen zugunsten von pflichtversorgenden Einrichtungen vor. Diese Stärkung sollte besonders für Alternativen zur stationären Versorgung genutzt werden, also für die Versorgung mit Home Treatment und stationsäquivalenter Behandlung. Längere Fristen für Sanktionen sind sinnvoll, weil durch das Sanktionensystem die großen gegenüber den kleinen Einrichtungen bevorzugt werden, da letztere personelle Engpässe schlechter kompensieren können.

Die DGSP unterstützt zudem die Aussage der Patientenvertretung, dass die Verringerung der Minutenwerte keinen Beitrag zu einer leitliniengerechten Behandlung im Sinne von § 1 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellen.

Den Vorschlag des GKV-Spitzenverbands, einen §11 (14) einzuführen, lehnt die DGSP ab, da hier ein immenser bürokratischer Aufwand gefordert wird, wobei verfahrenstechnische Fragen nicht eindeutig geklärt sind und eine Verschlechterung der Versorgung durch Entfernung der Krankenhausstandorte zu befürchten ist.

Eine Verlängerung der Fristen, wie sie die Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und Bundesärztekammer (BÄK) in §13 (5) vorschlagen, unterstützt die DGSP grundsätzlich.

Generell sollten alternative Modelle der Personalbemessung wie die Psych-PV plus von Ver.di oder das Plattform-Modell der DGPPN für eine grundlegende Neufassung herangezogen werden. Die DGSP wird sich daran oder an einer trialogischen Expert:innenkommission gerne beteiligen.

Des Weiteren sind die Kritikpunkte unserer Stellungnahme von 2020 weiterhin aktuell:

Wir können nicht erkennen, inwieweit die hier vorgeschlagene Änderung die Belange von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Krisensituationen verbessern kann. Vielmehr sehen wir durch die vielfältigen Folgen bei Nichteinhaltung der Mindestvorgaben die stationäre Versorgung besonders für schwersterkrankte Menschen erheblich gefährdet. Dabei muss beachtet werden, dass durch die Arbeitsmarktsituation in vielen Regionen gar nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht. Andererseits gibt es ökonomische Anreize, die Personalkosten gering zu halten, sei es durch eine quantitative Geringbesetzung, sei es durch qualitative Einschränkungen.

Es fehlen nach dem Scheitern der sogenannten Wittchen-Studie vor allem weiterhin wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage der Richtlinie.

Allgemein erweckt die Richtlinie den Eindruck, dass hier nicht die Belange der psychisch erkrankten und behandlungsbedürftigen Menschen im Vordergrund stehen, sondern ökonomische Partialinteressen.

Die Bereiche der Psychosomatik P3 und P4 stellen keine Trennschärfe zwischen Psychiatrie und Psychosomatik dar. Es gibt auch keinen erkennbaren Grund der Aufspaltung der Bereiche P1 und P2, was sich auch in der fast wortgleichen Begründung zeigt. 

Die Nachweispflichten sollten, auch wenn die DKG dies aus Gründen des höheren Verwaltungsaufwands ablehnt, stationsbezogen sein, um sicherzustellen, dass Personal auch wirklich dort ankommt, wo es hingehört. Außerdem befürchten wir einen zu großen Gestaltungszeitraum bezüglich Urlaubs- und Fortbildungszeiten. Diese müssten klar zu benennen und mit den tatsächlichen Bedarfen zu begründen sein.

Ausrichtung und Ausstattung der Hilfen müssen von den Bedarfen der einzelnen betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen gedacht werden, im Krankenhaus ebenso wie in ambulanter Therapie und Wiedereingliederung. Die DGSP fordert einen Prozess der grundlegenden Erarbeitung von Personalbedarfen in den psychiatrischen Hilfssystemen über die stationäre Akutversorgung hinaus. Dabei schließen wir uns der Forderung des Bundesverbands der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) nach der umfassenden Beteiligung einer trialogischen Expert:innengruppe mit Vertreter:innen aus Wissenschaft und Praxis an. Dazu sollte baldmöglichst eine Nachfolgestudie zur Wittchen-Studie erstellt werden.

Außerdem wird auch die Fachkraftquote in der Pflege in der Richtlinie nicht berücksichtigt. Eine Fachkraftquote von 30-50 Prozent, idealerweise auch eine Akademisierungsrate von 10 Prozent sollte sichergestellt sein, um eine hochwertige Versorgung und Patient:innensicherheit zu gewährleisten sowie Zwangsbehandlungen zu vermeiden. Der begrenzte Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Änderung am 09. Juni 2023 und der Frist zur Einreichung der Stellungnahme bis 06. Juli 2023 lässt kaum Raum für unsere verbandsinterne Kultur der gemeinsamen Meinungsbildung und dem dazu gehörigen Abstimmungsprozess.

Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.
Der Vorstand, 03.07.2023

Eugen Berker, Angehöriger eines Forensikpatienten mit eigener Psychiatrieerfahrung

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... man hier gut seine Sorgen, Ängste und auch Kritik äußern kann. Da ist mir wichtig, weil in Hessen Psychiatriepolitik häufig sehr konservativ ist und sich wenig am Wohlergehen der Patienten in der Allgemein- wie auch in der Forensischen Psychiatrie orientiert."

Dr. Klaus Obert, Dipl.-Sozialpädagoge

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... ich der Meinung bin, dass sich sozialpsychiatrisches Denken und Handeln im Sinne des Trialogs unverändert in der DGSP wiederfindet, kontrovers, lebhaft und durchaus kritisch solidarisch diskutiert wird. Vor allem finde ich es beeindruckend, dass zunehmend junge Kolleg/-innen wieder anzutreffen sind und die Beteiligung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen selbstverständlich wird." 

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