Die DGSP fordert die politischen und administrativen Entscheidungsträger der Länder auf, den weiteren Ausbau geschlossener Plätze für den Vollzug der Maßregeln sofort zu stoppen.

An die Justiz- und Sozial-/ Gesundheitsministerien der Länder:

Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) fordert die politischen und administrativen Entscheidungsträger der Länder auf, den weiteren Ausbau geschlossener Plätze für den Vollzug der Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB und für die Aufnahme von einstweilig Untergebrachten nach § 126a StPO sofort zu stoppen. Anknüpfend an das »Plädoyer zur Transformation der Maßregeln« vom März 2022 weist sie aktuell auf den anhaltenden Trend der Wucherung einer forensischen Parallelstruktur innerhalb der psychiatrischen Versorgungslandschaft in Deutschland hin.

Jeder fünfte stationäre psychiatrische Behandlungsplatz befindet sich mittlerweile hinter Mauern oder Stacheldraht. Während etwa 55.000 Betten in der Allgemeinpsychiatrie zur Verfügung stehen, sind es bereits ca. 11.000 stationäre Plätze zur Sicherung und Behandlung in den Maßregelkliniken. Blickt man zusätzlich auf die derzeitige starke Überbelegung fast aller forensisch-psychiatrischen Kliniken, ergibt sich allein daraus ein besorgniserregender Druck in Richtung einer Erweiterung dieses Systems und seiner Kapazitäten sowie des damit verbundenen freiheitsentziehenden Umgangs mit psychisch kranken und geistig behinderten Menschen.

Diese Fehlentwicklung darf nicht durch die Schaffung weiterer geschlossener Unterbringungsplätze forciert werden.

Im Gegenteil, das psychiatrische Versorgungssystem ist in seiner Gesamtheit, in allen seinen Einrichtungen und Diensten, zu befähigen, mit einem Mindestmaß an freiheitseinschränkenden Maßnahmen auszukommen. Die hierfür nötigen Transformationsprozesse ergeben sich nicht allein durch Idealismus und punktuelles Engagement. Die Erfahrungen der letzten 15 Jahre haben zumindest aus forensischpsychiatrischer Perspektive gezeigt, dass die »Reförmchen« des Maßregelrechts, zuletzt die Novellierung von 2016 mit dem Ziel einer deutlichen Stärkung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, nicht zu einer grundsätzlichen Trendwende im Hinblick auf die Unterbringungszahlen und die Verweildauern geführt haben.

Die parallel zu Problemen des Maßregelrechts geführte Debatte um eine Stärkung von Autonomie und um die Reduktion von Zwang wurde mit der fortgesetzten »Verlagerung« bestimmter Probleme und der sie auslösenden Personen in den Maßregelvollzug konterkariert. Die in den letzten Jahren zu beobachtende Welle von Unterbringungen in die forensisch-psychiatrischen Kliniken ist nach Analyse der DGSP maßgeblich getragen von Erfahrungen der Betroffenen mit Sucht, Psychose und Migration. Diesen Problemen hat sich das bestehende »zivile« gesundheitliche Versorgungssystem in einer deutlich intensiveren und priorisierenden statt ausgrenzenden Weise zu stellen. Zur diskrepanten Entwicklung der allgemein-psychiatrischen und forensisch-psychiatrischen Strukturen sei am Rande nur beispielhaft auf die etwa 100-mal längere Verweildauer im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB untergebrachten Personen gegenüber dem Aufenthalt auf einer allgemeinpsychiatrischen Station verwiesen.

Statt den Bereich geschlossener stationär-psychiatrischer Versorgung im Parallel- und Schattensystem der forensischen Psychiatrie weiter auszubauen, und damit enorme materielle und personelle Ressourcen zu binden, fordert die DGSP die Fortsetzung des angestoßenen Umdenkprozesses. Die inzwischen beginnende Krise durch die Überfüllung der forensisch-psychiatrischen Kliniken bei gleichzeitig unüberwindbarer Personalnot, vor allem in der Pflege, ist als Anlass und Chance für umfassendere Reformen im Umgang mit psychisch kranken Straftätern und entsprechend gefährdeten Menschen im System der psychiatrischen Versorgung, aber auch im Strafvollzug, zu nutzen. Dies ist auch unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll.

Neben der Forderung an die Länder nach einem sofortigen Baustopp ruft die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) den Bundesjustizminister bzw. den Bundestag dazu auf, eine Sachverständigenkommission, vergleichbar der Strafrechtsreformkommission der 1960er Jahre und der Psychiatrie-Enquȇte-Kommission in den 1970er Jahren, zu berufen, die mit Personen sowohl aus der psychiatrischen und psychosozialen als auch der juristischen Perspektive zu besetzen ist, und mit der Analyse bestehender Versorgungsstrukturen und mit der Erarbeitung von Vorschlägen für nachhaltige Alternativen und Veränderungen zu beauftragen. 

DGSP Fachausschuss Forensik 

Der Vorstand Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.

 

 

 

 

Eugen Berker, Angehöriger eines Forensikpatienten mit eigener Psychiatrieerfahrung

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... man hier gut seine Sorgen, Ängste und auch Kritik äußern kann. Da ist mir wichtig, weil in Hessen Psychiatriepolitik häufig sehr konservativ ist und sich wenig am Wohlergehen der Patienten in der Allgemein- wie auch in der Forensischen Psychiatrie orientiert."

Dr. Klaus Obert, Dipl.-Sozialpädagoge

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... ich der Meinung bin, dass sich sozialpsychiatrisches Denken und Handeln im Sinne des Trialogs unverändert in der DGSP wiederfindet, kontrovers, lebhaft und durchaus kritisch solidarisch diskutiert wird. Vor allem finde ich es beeindruckend, dass zunehmend junge Kolleg/-innen wieder anzutreffen sind und die Beteiligung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen selbstverständlich wird." 

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