Die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) führt drei Mal im Jahr in Berlin eine Verbändekonsultationen durch. Die DGSP bringt sich in der 42. Ausgabe mit einer Stellungnahme zum psychiatrischen Maßregelvollzug ein.

Das deutsche strafrechtliche Sanktionensystem verfügt über zwei Spuren: a) die Freiheitsstrafe, und b) die freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 61 Abs. 1-3 StGB), zu denen die psychiatrische Maßregel nach § 63 StGB gehört.

Folgende Artikel der UN-BRK haben einen unmittelbaren Bezug zum psychiatrischen Maßregelvollzug (MRV):

Art. 12 Abs. 2 UN-BRK und Art. 14 Abs. 1 b UN-BRK: Der Weg in die Maßregeln wird eingeleitet, wenn ein Untersuchungsrichter den verdächtigen Rechtsbrecher gemäß § 126a StPO (Einstweilige Unterbringung) mit der Verdachtsdiagnose einer seelischen Störung oder einer Suchtmittelabhängigkeit statt in die Untersuchungshaft in eine geschlossene psychiatrische Klinik einweist. D.h. schon vor einer Verurteilung reicht ein entsprechender Verdacht aus, um die Überführung des Tatverdächtigen in die maßregelrechtliche Sanktion einzuleiten.

Im Hauptverfahren muss dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) oder eine Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) wegen einer seelischen Störung attestiert werden und es muss nach § 63 StGB die Erwartung begründet sein, dass er wegen seines Zustandes (seelische Erkrankung) auch in Zukunft gefährlich sein wird. Dies festzustellen ist Aufgabe der psychiatrischen Sachverständigen. In diesem Verfahren wird also a) eine seelische Störung zur Voraussetzung einer Freiheitsentziehung gemacht und b) bestimmt nicht die Schwere der Tat, sondern die zur Behandlung der angenommenen Gefährlichkeit des Untergebrachten erforderliche Zeit die Dauer seines Aufenthaltes. Damit kann die psychiatrische Maßregel des § 63 StGB als Präventivstrafrecht charakterisiert werden.

Eine besondere Punitivität (Strafschärfe) zeichnet die psychiatrische Maßregel im Vergleich zur Freiheitsstrafe noch dadurch aus, dass sie zusätzlich eine gewisse »Beweislastumkehr« im Blick auf die Gefährlichkeit enthält. Nicht das Gericht hat die seelisch bedingte Gefährlichkeit nachzuweisen, sondern der Untergebrachte seine Ungefährlichkeit, jedenfalls bis zum Ablauf von sechs bzw. zehn Jahren freiheitsentziehender Unterbringung.

Nach der bedingten Entlassung oder bei Aussetzung des Vollzugs der Maßregel nach § 63 StGB unterliegt die ehemals untergebrachte Person der Maßregel der Führungsaufsicht (§ 61 Abs. 4 StGB). Diese hat die Aufgaben der Kontrolle und Hilfe. Einige der Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht sind strafbewehrt.

Nach § 7 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) kann die Unterbringung Jugendlicher und Heranwachsender in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden. Diese Maßnahme ist als Sonderstrafrecht zu bezeichnen, da sie ebenfalls mit einer seelischen Störung begründet wird.

Die DGSP sieht wegen des zweigliedrigen Sanktionenrechts in Deutschland und der daraus folgenden Praxis folgende Prinzipien der UN-BRK verletzt: a) das Recht von Menschen mit Behinderung auf gleichberechtigte Rechts- und Handlungsfähigkeit (Art. 12 Abs. 2 UN-BRK und b) dass eine Behinderung keinen Freiheitsentzug rechtfertigen kann (Art. 14 Abs. 1 lit.b UN-BRK). (i)

2. Art. 15 Abs. 2 UN-BRK: In Deutschland nimmt die »Nationale Stelle zur Verhütung von Folter« die Aufgaben nach dem OPCAT vom 18.12.2002 wahr. Sie stellt in ihren Jahresberichten regelmäßig Verstöße im Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregeln fest. So monierte sie zur Aufenthaltsdauer in und zur Ausstattung von Kriseninterventionsräumen in Krankenhäusern des Maßregelvollzuges:

»In einer forensischen Psychiatrie wurden teilweise Absonderungszeiträume von über einem Jahr angegeben. Derart lange Absonderungen stellen einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar und sind menschenrechtlich nicht vertretbar.« (Jahresbericht 2018). (ii)

»In den Kriseninterventionsräumen der besuchten Einrichtungen sind keine Sitzmöglichkeiten in normaler Sitzhöhe für die Patientinnen und Patienten vorhanden. Die Kriseninterventionsräume […] sind lediglich mit auf sehr hohen Podesten liegenden Matratzen ausgestattet. […] Bei einer Unterbringungsdauer von mehreren Stunden, Tagen oder Monaten ist ein Verweilen im Stehen oder am Boden sitzend menschenunwürdig.« (Jahresbericht 2021). (iii)

3. Art. 25 Abs. e UN-BRK: Die Gesundheitsversorgung von Patienten:innen im Maßregelvollzug wird aus Fiskalmitteln statt aus Beiträgen der Krankenversicherung finanziert. Die DGSP sieht hier einen Gleichheitsgrundsatz der UN-BRK verletzt und setzt sich für ihre Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung ein.

Abschließend die Stimme einer Angehörigen: »Auch wenn es schlimm genug ist, dass man überhaupt für Dinge kämpfen muss, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Aber das sind sie leider nicht. Man muss dafür kämpfen, dass die Menschenrechte in der Psychiatrie gewahrt oder überhaupt beachtet werden.« (iv)

Und eines Patienten: »Der Maßregelvollzug ist eine Parallelwelt, die kaum nach normalen Maßstäben abläuft – und immer wieder wundern sich Menschen, dass so etwas in Deutschland überhaupt möglich ist. Letztlich muss man auch von Patientenseite aus sagen, dass das System … nicht funktioniert.« (M.F., 2022)v i s.a Stellungnahme der DGSP 03/2022: »Plädoyer für eine Transformation der Maßregeln«; Köln 2022 ii Nationale Stelle zur Verhütung von Folter: Jahresberichte 2018; Wiesbaden 2019 iii Nationale Stelle zur Verhütung von Folter: Jahresberichte 2021; Wiesbaden 2021 iv Perez, Bianca: »Die schwarze Liste«; underDog-Verlag, Hamburg 2017 v Zitat aus einem Brief des Forensikpatienten M.F. an die Geschäftsstelle der DGSP; Köln 2022


 

Eugen Berker, Angehöriger eines Forensikpatienten mit eigener Psychiatrieerfahrung

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... man hier gut seine Sorgen, Ängste und auch Kritik äußern kann. Da ist mir wichtig, weil in Hessen Psychiatriepolitik häufig sehr konservativ ist und sich wenig am Wohlergehen der Patienten in der Allgemein- wie auch in der Forensischen Psychiatrie orientiert."

Dr. Klaus Obert, Dipl.-Sozialpädagoge

Ich bin Mitglied in der DGSP, weil...

"... ich der Meinung bin, dass sich sozialpsychiatrisches Denken und Handeln im Sinne des Trialogs unverändert in der DGSP wiederfindet, kontrovers, lebhaft und durchaus kritisch solidarisch diskutiert wird. Vor allem finde ich es beeindruckend, dass zunehmend junge Kolleg/-innen wieder anzutreffen sind und die Beteiligung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen selbstverständlich wird." 

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