PRESSEMITTEILUNG

7. Fachtag Arbeit von DGSP und gpe: Der allgemeine Arbeitsmarkt muss sich für Menschen mit Behinderung öffnen

Köln, 8. Oktober 2021

Der 7. Fachtag Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) fand in Kooperation mit der Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen (gpe) am 30. September 2021 online statt. Bei der ursprünglich in Mainz geplanten Veranstaltung konnten rund 95 Teilnehmende aus ganz Deutschland via Zoom den Impulsvorträgen folgen. Anschließend luden acht Workshops zu vertiefenden Diskussionen ein. Ein Leitthema der Tagung waren die Folgen der Pandemie für die berufliche Teilhabe psychiatrieerfahrener Menschen.

Die Pandemie prägte den Auftaktvortrag von Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer. Für die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt sei sie ein deutlicher Rückschlag gewesen, und auch in der jetzigen Erholungsphase sinke die Arbeitslosigkeit unter dieser Personengruppe deutlich langsamer als bei anderen, wusste er aus Rheinland-Pfalz zu berichten. Zufrieden zeigte sich der Minister, dass die Schließungen der Werkstätten für Menschen mit Behinderung vergleichsweise kurz andauerten und dass es dank strenger Hygieneschutzmaßnahmen zu wenigen Infektionen und Arbeitsausfällen kam. Den Berufsbildungsbereich in Rheinland-Pfalz sieht er gut aufgestellt für die Herausforderungen der Zukunft, etwa mit Angeboten zu EDV, Media- und Metalltechnik. Schweitzer sprach sich dafür aus, die Beschäftigungssituation nicht allein dem Marktgeschehen zu überlassen.

Dr. Irmgard Plößl vom Rudolf-Sophien-Stift in Stuttgart sprach daraufhin als Werkstatt-Leiterin und Fachautorin über »wabenübergreifender« Arbeit und meinte damit, dass das komplexe sozialpsychiatrische System, in dem Menschen mit psychischer Beeinträchtigung leben und arbeiten, oftmals zu wenig durchlässig und -sichtig ist. Die einzelnen Angebote täten gut daran, übergreifend enger zusammen zu arbeiten, um die Bedarfe der Arbeitnehmer*innen wirklich zu erkennen und zu bedienen. Zudem sei es wichtig, einen barrierefreien Zugang zu fördern.

Der Leiter des Referats »Teilhabe am Arbeitsleben« im Integrationsamt des Kommunalverbands für Jugend und Soziales BaWü (KVJS), Berthold Deusch, berichtete schließlich über das regionale Programm »Arbeit inklusiv«. Es fördert seit 2005 betriebliche Arbeitsplätze für Menschen mit wesentlicher Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und setzt dafür finanzielle Anreize für Unternehmen, wenn sie Arbeitnehmer*innen mit einem besonderen Unterstützungsbedarf einstellen. Darüber hinaus begleiten Integrationsfachdienste die Arbeitsverhältnisse und kümmern sich um die individuelle Förderung. So konnten bislang über 5.000 nachhaltige Jobs in »normalen« Betrieben erschlossen werden. Trotzdem scheinen die Hürden hoch, zumal es bei dieser Art von Förderung auf explizite Netzwerkarbeit und auf ein gutes verwalterisches Verständnis ankommt.

In den anschließenden Workshops konnten die Teilnehmer*innen u.a. am Beispiel inklusiver Bioläden und Städtischem Gartenbau erfahren, welche Potenziale soziale Projekte für eine nachhaltige Stadtentwicklung haben, und wie persönliche Erfahrungen mit Krankheit und Genesung im beruflichen Kontext eingesetzt werden können. Weitere Workshops beschäftigten sich etwa mit den unterschiedlichen Möglichkeiten des Übergangs von der Werkstatt in den allgemeinen Arbeitsmarkt oder loteten Risiken, Nebenwirkungen und Chancen aus, die durch die Corona-Pandemie im Arbeitsumfeld entstanden sind. Lebhaft diskutiert wurde, wie das Konstrukt der »dauerhaften vollen Erwerbsminderung«, das gerade junge Menschen nach einer Erkrankung in Armut stürzt, zu überwinden sei. Interessant in diesem Zusammenhang war schließlich die Präsentation einer Studie mit Praxisbeispielen zum Prinzip des IPC Coaching, das Menschen zuerst im allgemeinen Arbeitsmarkt platziert und sie quasi »on the job« qualifiziert.

»Die Referent*innen und Workshopleiter*innen des Fachtags haben drängende Fragen unserer Zeit aufgegriffen«, lautete das Fazit von Jörg Greis, Geschäftsführer der gpe in Mainz. Sie hätten vielversprechende Wege aufgezeigt, mehr Menschen in den allgemeinen Arbeitsplatz zu bringen. Denn obwohl die gpe mit mehreren eigenen Inklusionsbetrieben gut aufgestellt sei, gebe es hier noch sehr viel Luft nach oben.


Hintergrundinformation

Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) ist ein unabhängiger Fachverband für Soziale Psychiatrie, der sich für die Weiterentwicklung und Verbesserung menschenrechtsbasierter Hilfsangebote für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen einsetzt. Die DGSP arbeitet berufs- bzw. expertenübergreifend, das heißt, ihre Mitglieder sind psychiatrisch Tätige aller Berufsgruppen aus verschiedenen Institutionen, Psychiatrieerfahrene und deren Angehörige sowie Träger sozialpsychiatrischer Angebote, die sich operativ in Fachausschüssen zu verschiedenen Themenfeldern organisieren.

Die Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen gGmbH (gpe) ist ein sozialer Dienstleister in Mainz für Menschen mit vorwiegend psychischen Erkrankungen und Behinderungen. Sie ist mit zahlreichen Projekten wie dem natürlich Bioladen & Bistro, der Sozialen Stadtimkerei und mehreren Restaurant-Betrieben fest in der Mainzer Stadtgesellschaft verankert. Beim Fachtag war die gpe mit mehreren Workshops vertreten.

Kontakt zur DGSP

Birthe Ketelsen
Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.
Pressesprecherin
E-Mail: birthe.ketelsen(at)dgsp-ev.de

Kontakt zur gpe

Susanne Schneider
Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen gGmbH
Unternehmenskommunikation
E-Mail: susanne.schneider(at)gpe-mainz.de
www.gpe-mainz.de

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